Sprachstörung / Aphasie

Eine Aphasie ist eine zentrale Störung der Fähigkeit, Sprache zu verarbeiten. Dabei sind immer alle sprachlichen Ausdrucksformen, Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben betroffen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß.

Charakteristische Symptome einer Aphasie sind zum Beispiel:

  • Wortfindungsstörungen
  • Fehler in der Wortwahl/Wortbedeutung, Umschreibungen (z.B. Glas statt Tasse, Telefon wo man zumachen kann statt Kühlschrank)
  • Fehler in der Lautstruktur der Wörter (z.B. Spille statt Spinne, Bansane statt Banane)
  • gestörter Satzbau, unvollständige Sätze (z.B. Auto kaputt, umfallen und dann Krankenhaus)
Illustration Gruppentherapie

Jede Aphasie ist einzigartig und muss individuell mit ihrer Symptomatik beschrieben werden. Je nach Ausprägung der Symptomatik werden verschiedene Aphasiesyndrome unterschieden. Die gebräuchlichste Klassifikation ist die Unterscheidung zwischen: globaler Aphasie, Broca-Aphasie, Wernicke-Aphasie, Amnestischer Aphasie und Restaphasie. Daneben treten aber auch Sonder- und Mischformen auf. Da bei den meisten Menschen das Sprachzentrum in der linken Hirnhälfte sitzt, tritt auch eine Aphasie in der Regel nach einer Schädigung der linken Großhirnhälfte, meist der Großhirnrinde (Cortex) auf, zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder einer Hirnblutung in der betreffenden Region.

Es folgt ein Überblick über typische Merkmale der verschiedenen Aphasiesyndrome.

Globale Aphasie

Sowohl das Verstehen als auch das Produzieren von Sprache sind schwer betroffen; keine oder nur wenig inhaltsreiche verbale Kommunikation möglich; Auftreten von Sprachautomatismen, die nur aus aneinandergereihten sinnlosen Silben bestehen (z.B. dodododo).

Beispiel

Spontansprache eines Patienten mit Globaler Aphasie

Untersucher: Wie hat das mit Ihrer Krankheit denn angefangen?
Patient: Dododododo! Nee, das… Ich … Dododo, und … nee, Quatsch! Hier, dododo, und hier. Ja, und … nee.
Untersucher: Und wie lange ist das jetzt her?
Patient: Also hier, dododo, ach Mensch.

Broca-Aphasie

Die PatientInnen sprechen meist unflüssig, mit vielen Pausen; viele lautliche oder Bedeutungs-Fehler; häufige Selbstkorrekturversuche; kurze, häufig unvollständige oder ungrammatische Sätze. Das Sprachverständnis ist auch betroffen, aber oft im Vergleich zur Sprachproduktion relativ gut erhalten. Die Kommunikation ist insgesamt mittelschwer bis schwer gestört.

Beispiel

Spontansprache eines Patienten mit Broca-Aphasie

Untersucher: Was haben Sie denn jetzt noch für Beschwerden?
Patient: Die Sprache…! Kopf bis Fuß … auseinandergeschnitten! Kopf bis Fuß. Allgemein, rechts und links unterschiedlich.
Untersucher: Und wie hat das mit Ihrer Krankheit angefangen?
Patient: Ins Bett normal und dann sechs aufgewacht und fertig. Gemerkt… Um halbelf ins Bett und normal… Dann nix mehr … Dann ’nen Schlaganfall und fertig.

Wernicke-Aphasie

Die PatientInnen sprechen flüssig, teilweise überschießend, aber inhaltsarm bis inhaltsleer. Häufige Verwendung von inhaltsleeren Floskeln (z.B. Na, Sie wissen schon oder mal so mal so) oder auch von Wörtern und Phrasen, die es gar nicht gibt (›Neologismen‹, z.B. Flanduline gabadene); Auftreten von Satzverschränkungen; Sprachverständnis stark beeinträchtigt. Die Kommunikation ist insgesamt mittelschwer bis schwer gestört.

Beispiel

Spontansprache eines Patienten mit Wernicke-Aphasie

Untersucher: Was haben Sie denn jetzt noch für Beschwerden?
Patient: Mir geht´s ganz normal. Mit der rechten Hand, da bin ich nicht, die Feinmokolik, das ist en Problem. Aber wissen se, wann das esser wird… Aber mit der Sprache oder was erzählen, bei Null quasi oder ich kann es nicht gesagenen richtig, und dann ist es halt schwierig quasi wissen se. Das geht schon ich merk viel von diesen Sachen, aber die Wörter sind dann halt ein bisschen schieliger, dann geht´s nur in die Hälfte und dann bring ich’s nicht wenn ich vielleicht ärgerlich werde und es geht vielleicht was nicht richtig, dann wird das gefählich. Dann werd ich schneller und dann klappt das geht gar nicht.
Untersucher: Und wie hat das mit Ihrer Krankheit angefangen?
Patient: Ich war krank hier im Bett und irgendwie kam en Notarztwagen da. Sie sollten doch vielleicht mitfahren, quasi, wissen se, und dann war das kein Problem war das die Sprache die nicht so richtig an diesem Tag. Am nächsten Tag war das schon wieder besser, schon ganz wunderbar hat man nichts mehr gemerkt worden. Dann hab ich noch überlegt, was brauch man noch, und hin und her. Dann bin ich ins Bett und dann bin ich bewusstlos und dann ging gar nichts mehr. Und dann war da diese Schader … Halsschlagader war dann zu und alles was drüber ist, ist quasi weg gewesen die linke Seite quasi dann tot geworden.

Amnestische Aphasie

Herausstechendes Merkmal sind die Wortfindungsstörungen mit Suchen von Wörtern und Umschreibungen, während andere Bereiche wie Lautstruktur und Satzbau häufig wenig beeinträchtig sind. Die PatientInnen sprechen meist flüssig, es kann aber durch die Wortfindungsstörungen zu Satzabbrüchen kommen. Die Kommunikation ist insgesamt eher leicht bis mittelschwer gestört.

Beispiel

Spontansprache eines Patienten mit Amnestischer Aphasie

Untersucher: Und wie hat das mit Ihrer Krankheit angefangen?
Patient: Als ich dann am Samstag nach Hause gekommen, da ging noch alles ganz wunderbar, und es hat keine Probleme gegeben. Aber in der Nacht, da kam … hm, also wie heißt das nochmal, da hatte ich Schmerzen, ganz plötzlich, und bin ins … wie soll ich denn dazu sagen, Trauma ist nicht das richtige Wort, Tr… K… Koma, ja. Zwei Tage war ich dann im Koma und wusste nicht mehr, was los war, das war schrecklich.

Restaphasie

Die Kommunikation ist weitgehend ungestört bis auf Restsymtpome wie Schwierigkeiten mit Texten, vereinzeltes Suchen nach Wörtern, vereinzelte lautliche oder Bedeutungs-Fehler u.a.

Sonder- und Mischformen der Aphasie

Außer den genannten vier 'klassischen' Aphasiesyndromen treten auch häufig Mischformen mit gemischter Symptomatik auf. Daher ist in einer Diagnostik nicht die Zuordnung zu einem der vier Syndrome das wichtigste, sondern die Beobachtung der einzelnen aphasischen Symptome und Störungsmuster.

Die folgenden Sonderformen der Aphasie treten nur selten auf:

Leitungsaphasie

Die PatientInnen sprechen meist flüssig, aber mit sehr vielen lautlichen Fehlern. Leitsymptom ist das auffallend schwer gestörte Nachsprechen gegenüber relativ gut erhaltenen anderen sprachlichen Leistungen, zum Beispiel Sprachverständnis. Hierbei werden umso mehr Fehler beim Nachsprechen gemacht, je länger die Wörter und Sätze sind. Meist zeigen die PatientInnen ein hohes Fehlerbewusstsein und Selbstkorrekturversuche.

Transkortikal-motorische Aphasie

Seltenes aphasisches Syndrom, wobei die PatientInnen spontan kaum oder gar nicht sprechen können, aber herausragend gut nachsprechen. Das Sprachverständnis ist meist auch relativ gut erhalten.

Transkortikal-sensorische Aphasie

Die PatientInnen sprechen flüssig mit Störungsmerkmalen ähnlich der Wernicke-Aphasie, mit vielen Bedeutungsfehlern. Häufig wiederholen diese PatientInnen spontan Fragen und Äußerungen ihres Gesprächspartners (Echolalien). Typisch ist ein herausragend gutes Nachsprechen bei schwer beeinträchtigtem Sprachverständnis. In der Testung können diese PatientInnen oft selbst komplexe Sätze fehlerfrei nachsprechen, ohne allerdings den Sinn des Nachgesprochenen zu verstehen.

Häufige Begleiterkrankungen einer Aphasie

Oft treten Aphasien zusammen mit andern Störungen auf, zum Beispiel mit:

  • Sprechapraxie: siehe Sprechplanungsstörung / Sprechapraxie
  • Apraxie: Störung beim Ausführen von Einzelbewegungen oder Bewegungsfolgen sowie Störung im sinnvollen Umgang mit Gegenständen als Folge einer Hirnschädigung.
  • Rechenstörung / Akalkulie: Während ein gestörtes Verstehen, Sprechen und Schreiben von Zahlwörtern eine direkte Folge der Aphasie ist, können zusätzlich auch Störungen bei der Durchführung von Rechenoperationen auftreten.
  • Räumlich-konstruktive Störung: Wenn der Scheitellappen des Gehirns mitbetroffen ist, können Störungen der räumlichen Wahrnehmung oder der räumlich-konstruktiven Fähigkeiten auftreten. Diese können zu einer Beeinträchtigung beim Lesen und Schreiben führen, die nicht aphasisch bedingt ist.
  • Gesichtsfeldeinschränkung: Auch eine Einschränkung des Gesichtsfeldes kann sprachliche Leistungen, zum Beispiel Lesen oder das Benennen von Bildern beeinträchtigen. Hierbei kann der Patient visuelle Reize in bestimmten Bereichen des Gesichtsfeldes nicht mehr wahrnehmen.
  • Neglect: Von einer Einschränkung des Gesichtsfeldes zu unterscheidende Störung der Aufmerksamkeit, die dazu führt, dass der Patient eine Gesichtshälfte, die er von seinem Sehvermögen her eigentlich wahrnehmen könnte, vernachlässigt. Kann etwa beim Lesen dazu führen, dass der aphasische Patient immer die rechte Hälfte einer Zeile überspringt.
  • Gedächtnis- oder Aufmerksamkeitsstörung: Kann dazu führen, dass der Patient für Aufgaben aller Art mehr Zeit benötigt, rasch ermüdet oder abschweift.
  • Halbseitenlähmung, bei welcher Arm und Bein unterschiedlich schwer betroffen sein können
  • Reizbarkeit und Gefühlsschwankungen

Zum Weiterlesen

Selbsthilfeverband der Aphasiker, Bundesverband für die Rehabilitation der Aphasiker e.V.: www.aphasiker.de